Tiergeschichten, mal mehr, mal weniger erbaulich, aufgeschrieben von einem Teilzeitbergbauern (6)




Diese Geschichte handelt von einem Koch und einem wilden Tier, dessen Namen man in dieser Gegend besser nicht erwähnt

Einer der leider eher seltenen Tag, an denen oben auf den Bergen eine fahle Sonne scheint - fahl, aber ohne Sonnebrille nichts zu machen - während unten an der Küste ein feuchtes Nebel-Wolken-Grau vorherrscht. Da freuen wir Teilzeit-Bergler uns und blicken zufrieden auf die fröstelnden Küstenbewohner hinab. So etwas hebt die Stimmung, ideal, um einen kleinen Spaziergang zu machen, den Weg abwärts, da trifft man immer den einen oder anderen Anwohner. Doch hinter der zweiten Kurve treffe ich leider keinen Anwohner, sondern den Wolf.

Ein großes zotteliges graubraunes Wesen. Es sieht mich nicht, sondern verschwindet schnell im Gebüsch. Ich kehre vorsichtshalber um, setze mich auf die sichere Terrasse, beschäftige mich, festgetrocknete Farbreste von einem Pinsel zu entfernen.

Bald darauf kommt einer der Viehzüchter den Berg hinaus, den sie hier alle den “Cocinero” nennen, weil er hauptberuflich in einem Restaurant zwei Dörfer weiter als Koch tätig ist. Hinter dem Cocinero trottet sein Hund, ein langhaariger Schäferhund, der sich offenbar im Matsch gewälzt hat, weswegen sein Fell grau und zottelig-nass an ihm herabhängt. Ein netter Hund, wie eigentlich alle Hunde hier, und wenn er frisch gebadet worden ist, sieht er auch gar nicht mehr aus wie ein Wolf.

Ich rede mit dem “Cocinero” über das Wetter und verschweige, dass ich seinen Schäferhand für einen Wolf gehalten habe. Erstens, weil mir das peinlich wäre, zweitens, weil die bloße Erwähnung des Wortes “Wolf” auch bei einem so ruhigen Bergbauern wie der Cocinero zu einem Zornesausbruch führen kann. Der Wolf - und es gibt einige davon im nahen Nationalpark, gehegte und geschützte Exemplare, auf die keine Tourismus-Broschüre hinzuweisen vergisst - der Wolf ist des Viehzüchters Feind und der Tierschützer als solcher folglich ebenso.

Nun, das liegt daran, dass die Viehzüchter all die vielen Tierfilme im Fernsehen nicht gesehen haben, in denen der Wolf als harmloses nettes Tier mit vorbildlichem Sozialverhalten präsentiert wird. Den Viehzüchtern mangelt es einfach an Aufklärung, weil die Viehzüchter keine Zeit haben, Tierfilme zu sehen. Die, die ihre Kühe und Schafe oben auf den Bergen halten, müssen nachts bei ihren Schafen Wache halten. Die weiter unten müssen ihre Schafe Abend für Abend zur besten Sendezeit in einen Pferch oder Stall treiben, was weder Schafe noch Menschen gerne habe. Der Wolf übrigens auch nicht.

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