Durchs Elend zu den Sternen

Wenn man das Ufer verlassen hat und auf dem See herumschaukelt oder bei auffrischendem Wind über das Wasser braust, hat man es geschafft. Per aspera ad astra sagt man in Lateinien, und in diesem Falle haben sie mal wieder Recht, die Lateiner, obwohl der alte Seneca das eigentlich gar nicht gesagt hat, sondern Non est ad astra mollis e terris via, was zwar viel besseres Latein ist, aber dann doch für den Hausgebrauch zu schwierig. Eigentlich würde ja auch Per ardua ad astra besser passen, aber das ist das Motto der Royal Air Force und mit königlich-britischen Kriegsflugzeugen hat der Lago Ilopango nun wirklich nichts zu tun. Führt auch zu weit vom Thema ab, aber, um noch einmal auf Seneca zurück zu kommen, dessen Philosophie Nietzsche übrigens für „unausstehlich weises Larifari“ hielt, dieser Seneca wurde im Jahr 1 geboren. Das lässt sich einfach merken und so kann man auch leicht ausrechnen, dass der Lago Ilopango etwa 420 Jahre nach Senecas Geburt entstanden ist, nämlich bei einem gewaltigen Vulkanausbruch, der ganz El Salvador und halb Guatemala verwüstet hat.

Und in dem etwa 7 x 10 km großen Krater dieses Vulkans segeln wir jetzt herum. Alleine, denn viele Segler gibt es hier nicht, obwohl es sich – um jetzt nun endlich auf den alten Spruch zurück zu kommen – um einen vielsterniges Segelrevier handelt. Mindestens 4 Sterne hätte der Lago Ilopango verdient, gäbe es eine Sterne-Bewertung für Segelreviere. Der Weg dorthin geht aber, wie der Spruch sagt, durch Mühen, oder, wie die königliche Luftflotte meint, durch Elend. Das beginnt mit dem alltäglich stinkenden und chaotischen Verkehr in El Salvadors Hauptstadt. Drei Spuren pro Fahrtrichtung, sollte man meinen, müssten genügen. Die rechte Spur gehört einer nicht enden wollenden Schlange von Klein-, Mittel- und Großbussen, die an jeder Ecke halten und sich gegenseitig überholen. Wenn sie beschleunigen, stoßen sie eine Dieselruß-Wolke aus, die jeden Rußfilter-Techniker als Studien-Objekt begeistern würde, wenn rechts ein Passagier auftaucht, dann wird gebremst und abrupt die Spur gewechselt. Jederzeit, denn ausgewiesene Haltestellen gibt es kaum, außerdem ist man sehr fahrgastfreundlich. Daneben versuchen allerlei Pkws unterschiedlichster Baujahre ihr Ziel möglichst rasch zu erreichen, ab und zu zwängt sich ein Mopedfahrer dazwischen, Fußgänger überqueren mit völliger Coolness die 6spurige Schnellstrasse, die übrigens auch eine ganz gute Teststrecke für den Federungskomfort eines Automobils darstellt.

Irgendwann darf man diese Strasse verlassen, dann kommt man in eine Gegend, wo wenige Autos fahren, obwohl dort gar nicht so wenige Leute leben. Die können sich freilich kein Auto leisten, die sind froh, wenn sie sich ein neues Stück Blech für ihr Hausdach leisten können. Und weil die meisten zwar eine hausähnliche Unterkunft, aber kein Grundstück ihr eigen nennen, sie also illegal dort wohnen, fühlt sich die Stadtverwaltung auch nicht genötigt, dort eine Strasse zu unterhalten. Womit wir wieder beim Federungskomfort wären. Auf dem ungeteerten Weg rappelt und hoppelt es unbeschreiblich, wie oft in diesen Fällen überlegt man sich, ob man lieber schneller fährt und den Ausgleich der Unebenheiten der Federung überlässt oder ob man im Schritttempo jedes Loch einzeln erspürt. So guckt der Fahrer besser auf die Strasse und vertreibt durch Hupen selbstmordgefährdete Hunde, während die Beifahrer auf der Rechten ab und zu einen Blick auf den See erhaschen können, der wunderbar blaugrün da unten liegt, umgeben von dichtem Wald.

Nach der Fahrt durch die Armensiedlung erreicht man die Schranke des Reichenclubs. Clubmitglieder und zahlende Gäste fahren jetzt in ein gepflegtes Areal ein und können Schwimmen, Golf spielen, das Strand- oder das Golfer-Restaurant besuchen oder eben segeln. Für die Segler ist ein junger Mann zuständig, der den Namen eines Erzengels trägt und – weil wir vorher angerufen haben – den Katamaran schon vorbereitet hat. So hat es nicht lange gedauert und wir konnten in See stechen. Klares blaues Wasser, fast 30 Grad, gegen die Sonne soll Lichtschutzfaktor 30 helfen. Als wir aus der Bucht verlassen haben, frischt der Wind etwas auf, so ungefähr 4 Windstärken, der Katamaran rast über die niedrigen Wellen und spritzt von unten eine Wasserfontäne durch das Netz, auf dem man sitzt. Bald zeigt sich, dass die alte Seglerweisheit stimmt: Ist es an Land auch noch so warm, wenn du draußen nass wirst, fängst du ohne Schutzkleidung an zu frieren. So denken wir schon bald an Rückkehr, obwohl wir die Insel vor dem gegenüberliegenden Ufer, die ihre Existenz übrigens einem Lavaausbruch vor erst gut 100 Jahren verdankt, noch gar nicht erreicht haben. Die Sonne senkt sich auch schon, leider wird es früh dunkel hier und auch deswegen kreuzen wir zurück zum Club, wo jetzt die alten Palmen in rötliches Licht getaucht sind, was ich nicht so recht genießen kann, denn ich habe eine nasse Hose und nichts zum Wechslen dabei.

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