Strasse mit Aussicht

Eigentlich wollten wir in der Cheatah National Forest bleiben, ein riesiges Waldgebiet mit einem State Park rund um den höchsten Berg Alabamas - nur gut 700 m hoch, aber immerhin. Leider ist uns ein Autorennen dazwischen gekommen, ein Nascar-Event, wie das hier heißt, und deshalb waren alle Hotels im weiten Umkreis ausgebucht, nur noch ein Paar Zimmer zum Event-Preis von über 250 $ wären noch zu kriegen gewesen. Aber den Nationalwald wollten wir uns dann doch ansehen, unterwegs dort einen Stop machen und was spazieren gehen. Hätten wir auch sicher gemacht - war ja wieder goldenes Oktoberwetter - wenn wir den Park gefunden hätten. Zuerst falsch von der Interstate 20 abgefahren, dann nach Himmelsrichtungen, weil kein Schild zu sehen ("Da ist der Berg doch, das kann doch nicht weit sein!") - dann machte das Auto Piep, Piep, Piep, weil kaum noch Benzin drin war. Leider war in der abgelegenen Gegend, wo nur ab und zu mal jemand im Wald wohnt, eher eine Kirche als eine Tankstelle aufzutreiben. Denn fünf solche im Wald liegenden Häuser bilden ein Dorf, gibt es mehr als 20 Häuser im Wald, gibt es eine baptistische Kirche, bei mehr als 50 Häusern zwei verschiedene baptistische Kirchen, eine methodistische und noch eine dieser weißen Holzkirchen, bei denen man schon Insider in Sachen Südstaaten-Glaubensgemeinschaften sein muss, um sie im Vorbeifahren identifizieren zu können. Vorsichthalber und weil ein sich neigender Benzinvorrat immer eine Herausfordungen an die Nerven ist, sind wir dann also zurückgefahren zur Interstate, haben getankt und die Tankwartin (oder Tankwärterin?) gefragt, wo der State Park ist. Die hatte nicht nur ungelaubich lange und unglaublich rote Fingernägel, sie wusste auch den Weg, musste ihn mir aber mit Zeichensprache klar machen, weil ich so meine Probleme mit dem Südstaaten-Dialekt habe. Ich hatte schon gedacht, sie hätte uns in die falsche Richtung geschickt oder ich hätte auch die Zeichensprache falsch verstanden, mich innerlich schon von diesem State Park verabschiedet, da kam tatsächlich ein Schild, genauer mehrere. Um diese zu verstehen, machten wir eine längere Pause an einer Ranger-Station im Wald. Die Ranger waren im Wochenende, hatten aber freundlicherweise Landkarten zum Mitnehmen bereit gelegt. Super Idee. nun hat der Amerikaner als solcher offenbar ein anderes Verständnis von einer Landkarte als der Preuße oder der michelin-verwöhnte Franzose, jedenfalls dauerte auch das Studium der Landkarte eine Weile, bis wir begriffen haben, dass wir einfach nur geradeaus hätten fahren brauchen, auf den "Scenic Highway 281". Dieser war nun wirklich ein Highlight, kaum befahren schlängelte sich die Strasse langsam aber sicher den Berg hoch und nach 30 km mit vielen Aussichtspunkten, vorbei an Bäumen mit grünen, gelben und roten Blättern erreichten wir die Grenze des Stateparks. Den Eintritt haben wir uns gespart, was sollte es dort anderes zu sehen geben als herbstliche Bäume nah und fern? Spazieren gehen konnte man auch außerhalb, direkt am Wanderparkplatz stand ein warnendes Schild, dieser Wanderweg sei 120 Meilen lang, man sollte genug zu essen und zu trinken mitnehmen. Gut, wir sind 200 m gegangen. Auf dem Berg nämlich brannte die Mittagssonne zwar wie in der Sahara (gleicher Breitengrad), im schattigen Wald aber naturgemäß nicht, es wurde uns zu kalt, wir beschlossen, unten im Tal was rum zu wandern. ist aber nichts draus geworden, weil wir uns (trotz oder wegen der schönen umgebungskarte vom Ranger) wieder verfahren haben, und dann noch einmal, und dann völlig. Die Einzelheiten dieser Fahrt, die durch eine wunderschöne Bilderbuch-Landschaft mit Bilderbuch-Rinderfarmen, mit Bilderbuch-Wildwest-Tankstellen und Weiden, auf denen die scharzen Angus-Rinder rumstanden, von denen Steak-Liebhaber schwärmen und an denen Vegetarier nicht ohne Bemerkungen über die armen Tiere vorbeikönnen, die Einzelheiten lasse ich mal weg. Am Zielort jedenfalls, Carrollton, sind wir, wie erwähnt noch eine Weile herumgeirrt, weil ich dort per Internet ein Hotel gebucht hatte, aber weder eine Adresse aufgeschrieben noch die Anfahrt skizziert hatte. Das sah so einfach aus, das konnte man gar nicht verfehlen! Aber erstens waren wir von einer anderen Seite in die Stadt gekommen und zweitens war dort, wo ich das Hotel vermutete, ein Armenviertel. Andererseits sah es in dem Viertel genau so aus, wie ich ich mir das eingeprägt hatte: links der Campus der Universität, davor drei kleinere Strassen mit großen alten Bäumen, dann die Hauptstrasse. Dort unter den bäumen musste das Hotel sein, das war doch der Grund gewesen, das "Jameson" zu buchen - endlich mal ein Hotel, das nicht an der Haupteinkaufsstrasse lag. Leider gab es dort nur Holzhäuser vom Typ Onkel Toms Hütte mit großen, alten Pickups und Limousinen davor, manche schon nicht mehr fahrbereit, aber keinerlei Hotel mit Südstaaten-Charme. gut, wir haben jemand gefragt, der hat uns zurück zur Hauptstrasse geschickt, da wo die Hamburger-Dinger und Shopping-Welten sind. Klar, da war das Jameson Inn, direkt am Highway, Blick aus dem Fenster auf "Wendys" und die 6-spurige Strasse. Ansonsten ein Prima Hotel, aber leider war die Karte auf der Website des Hotels im Internet, die ich mir eingeprägt hatte, etwas, sagen wir mal, missverständlich gewesen.

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