Sumpf und Marschen

Wenn man einen Reiseführer dabei hat, denkt man oft, dass man das alles doch gar nicht braucht. Sind alle alle "Geheimtipps", die in diesen Lonely Planets stehen,schon abgeklappert, kaum dass diese Dinger die Druckerpresse verlassen haben? Dann steht man da zusammen mit all den anderen, die abseits der vielgegagenen Pfade etwas entdecken wollten und die alle so eine Reisebibel unterm Arm haben. Nein, nichts für uns. In jedem Hotel liegen außerdem massenweise Prospekte herum, den Rest kann man im Internet nachlesen. Trotzdem haben wir einen kleinen Reiseführer mitgebracht, vom ADAC, der ist nicht so dick und war auch nicht so teuer, weil schon ein paar Jahre alt. Mit Hilfe dieses Reiseführers, des Internets und unserer Landkarte, auf der immer alles ganz nah aussieht, weil der Maßstab so klein ist, haben wir uns die Gegend südlich von New Orleans entschieden. Ich hatte nach den Erfahrungen der letzten Tage hauptsächlich das Problem, ob es dort auch Hotels der richtigen Klasse gäbe. Deshalb war mir gar nicht so klar, in welche Gegend wir fuhren. Houma war unser Ziel, nicht weit weg von New Orleans, direkt am Highway 90 und offenbar ein Touristenzentrum, denn dort haben sich alle möglichen Hotels aller möglichen Hotelketten niedergelassen - wie üblich alle nebeneinander, auch ein preiswertes La Quinta mit Pool und Seniorenrabatt.
30 Grad, kaum eine Wolke, schwül, Klimaanlage an, Highway 90 immer geradeaus, wenig Verkehr, eine Unmenge von Geschäften und Gewerbetreibenden rechts und links der Strasse. Wie immer. Alles völlig flach, als endlich das letzte Haus hinter uns lag, konnte man recht und links des Highways Baumgebüsch, flache Seen, Kanäle und vor allem ganz viel meist bräunliches Schilf sehen. Das blieb 50 km so, dann kamen wieder ein paar Häuser, Buden und Geschäfte, dann waren wir in Houma. Da ich inzwischen Zweifel bekommen hatte, ob dieses Houma wirklich ein Touristenort ist, fuhren wir zur Touristeninformation, die praktischerweise direkt an der Autobahnabfahrt lag. Dort bekamen wir weitere Prospekte, gute Tipps und eine recht schematische Karte, auf der ein Ort namens Cocodrie eingezeichnet war, ganz im Süden, sozusagen Land's End, dahinter kam nur noch der Golf von Mexiko. Ja, da gebe es auch 4 Motels. Das gefiel mir, also sind wir die 30 Meilen gefahren. Zuerst durch das langweilige Houma, in dem die Hotels wie befürchtet wieder einmal alle zwischen den Malls lagen und in dem es offenbar viel Armut gab, jedenfalls viele recht heruntergekommene Mobilheime. Dann Landschaft mir Schilf wie gehabt, dazu aber ein kleiner Kanal mit Fischerbooten und Häuser, die alle aussahen wie Mobilhomes auf Stelzen. Klar, denn wenn hier der Wasserspiegel auch nur um 1 Meter steigt, steht alles unter Wasser. Cocodrie war dann auch kein Ort, so wir uns das vorstellen, sondern eine Ansammlung von Stelzenhäusern recht und links der Strasse, und das 4 - 5 Kilometer lang. Hinter dem letzten Haus fing nicht etwa der Ozean an, aber ein Kanal, dahinter wieder endloses Schilf. In diesem letzten Haus befand sich ein Motel, auch auf Stelzen, versteht sich. War uns aber wie auch die anderen beiden Motels zu basicmäßig. Und außerdem: Was kann man hier machen? Auf der einzigen Strassen auf und ab gehen? Aus dem Hotelfenster dem Schilf beim Wackeln und den Wolken beim Ziehen zuschauen? Hoffen, dass mal ein malerisches Fischerboot den Kanal entlang kommt? Nein, zu Fuß kann man hier nichts machen, hier im Cajun Country braucht man ein Boot, und weil wir keins hatten, sind wir wieder zurückgefahren, auf einem anderen Weg, der anfangs durch eine herrliche, aber völlig unerschlossene Schilf- und Marschlandschaft führte, immer weiter, bis wir dann doch in Houma im La Quinta abgestiegen sind. Da haben wir dann noch mal Prospekte studiert und festgestellt, dass die Gegend doch nicht so unerschlossen ist, wie wir gedacht hatten. An drei Naturreservaten mit Pfaden für Fußgänger sind wir vorbeigefahren. Manchmal ist so ein Lonely Planet wohl doch nicht so schlecht.

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