Im Wald und durch den Wald

Den ganzen Tag durch Wald gefahren, um in einem Wald zu landen, nämlich dem Oak Mountain State Park am Stadtrandsind von Birmingham, Alabama. Dass es so viel Wald gibt in den Südstaaten, hätte ich mir nicht träumen lassen. Von Hattisburg in Mississippi bis nach Birmingham sind es 350 km, da wir nicht immer einfach die Interstate 10 entlangfahren wollten, sind wir fast 400 km gefahren, davon sicherlich 90% durch Wald: Pinienwald, Mischwald, riesige Bäume, neu angelegte Monokulturen, nichts als Bäume. und wo sind die berühmten Baumwollfelder? Eines haben wir gesehen, außerdem ein paar Teiche, in denen in größerem Maßstab Welse gezüchtet werden, ein paar gepflegte Rinderfarmen wie aus dem Bilderbuch, wenige kleine Orte und wie üblich überall kleine Kirchen rechts und links vom Highway. Keine reiche Gegend, viele Leute wohnen in mehr oder weniger guten Mobilhomes, keine prächtigen Südstaaten-Häuser. Die Strasse - wie immer - leer, ganz wenige LKWs, die, wie man sich denken kann, mit Baumstämmen belanden sind.
Der Oak Mountain State Park ist der größte von Alabama und eine sehr gepflegte Angelegenheit. Hier kann man das machen, was Amerikaner gerne in ihrer Freizeit tun: Golf spielen, reiten, fischen, grillen. Der waldumstandene See, der kleine künstliche Sandstrand,alles herbstlich leer, das Wasser glitzert in der Sonne, gelbgrüne Blätter strahlen im Gegenlicht.
Herrliche Natur. Keine natürliche Natur, eher eine menschengemachte Ideal-Landschaft mit großen gepflegten Rasenflächen, geschickt gruppierten Bäumen, ausgedehnten Parkplätzen, die sich wie die Bauten aus Feldsteinen und die hölzernen "Cabins" möglichst gut in die Umgebung einfügen sollen. Landschaftsarchitektur nach amerikanischem Geschmack. Sauber und aufgeräumt die Natur, frisch gesäubert die großen Parkplätze und Picknick-Stellen. Sieht es nicht da so aus, wo Onkel Donald immer mit seinen Neffen hinfährt?
Nein, kaum sind wir fünf Minuten auf einem der Trails in den herbstlichen Wald hinein gewandert, sehe ich, dass der erste Eindruck trügt. Abseits von Parkplätzen, Picknick- und Badestellen erstreckt sich ein naturbelassener Wald mit vielen Eichen, keine Tannenbäume in Reih und Glied, sondern ein dichter, hoher Mischwald.

Wir wollen zu einem Wasserfall gehen, entscheiden uns dann aber um, weil der Park schon um 6 Uhr schließt und wir Angst haben, nicht rechtzeitig zurück zu kommen. Leider haben wir uns am Parkeingang, wo wir unsere 3 $ pro Person zahlen mussten, keine Landkarte geben lassen. So nehmen wir den ersten besten Weg, der kaum mehr als 1 km lang ist. Recht steil bergauf gehen wir, die recht tief stehende Sonne scheint zwischen den Bäumen und lässt die Blätter schon herbstlich leuchten. Wir kommen zum "Wildlife-Center", einer eher langweiligen Angelegenheit. Man päppelt dort verletzte Vögel wieder auf, die Besucher können sich die kranken Tiere aber nur per Live-Video ansehen, weil die armen Kranken nicht gestört werden dürfen. Wir bleiben nicht lange, schließlich bin ich doch nicht hierher gekommen, um mir Schwarz-weiß-Bild einer kranken Eule anzusehen, die auf einem schlechten Monitor flimmern.

Am Weg hing eine Landkarte, auf der ich gesehen habe, dass man den Wasserfall auch mit dem Auto erreichen kann. Super, dachte ich, dem "American Way of Life" sei Dank, so können wir den Wasserfall doch noch sehen. Zu Fuß sollten es vom Parkplatz am See 1,9 Meilen sein, mit dem Auto zog sich die Strecke aber endlos hin - 5, 6 oder 7 kurvige und bergige Kilometer durch wunderschöne herbstliche Wälder, immer schön langsam mit den vorgeschriebenen 15 Meilen pro Stunde. Ganz schön groß, dieser Park, dachte ich, habe aber nachher gesehen, dass das gerade mal ein Drittel war. Kurz bevor man den Wasserfall-Parkplatz erreicht, hat man einen weiten Blick über das hügelige Land - überall Wald, Wald, Wald. Der Parkplatz lag dann doch nicht wie erhofft sozusagen direkt unter dem Wasserfall. Noch mal 1 km zu Fuß - ein besonders gefährlicher Weg, verkündeten Hinweisschilder, nur auf eigenes Risiko. So wild war es dann aber doch nicht, jedenfalls auf dem Stück, das wir gegangen sind. Denn bis zum Wasserfall sind wir nicht gekommen. Es ging ziemlich bergab, und bei der Vorstellung, den ganzen Weg unter Zeitdruck wieder bergauf gehen zu müssen, ist uns die Lust vergangen. Und außerdem: Ein erster kleiner Bachlauf, den wir überquert haben, führte kaum Wasser, ein zweiter war ausgetrocknet. Es war ganz still im Wald, von einem Wasserfall nichts zu hören. Warum den ganzen steilen Weg runter und wieder rauf, wenn es gar kein fallendes Wasser gibt?

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