Unterwegs mit Keynes

Keynes, der langzottelige Haushund, weiß nichts davon, dass die Verfechter der Schulden-kurbeln-die-Wirtschaft-an-Lehre, die sich auf seinen Namensvetter berufen, gerade mit größte Mühe versuchen, die entstandenen Schulden irgendwo hinzuschieben, wo sie keiner sieht, damit die Nation sich wieder neuen Rentenerhöhungen und der Aufstockung des Weihnachtsgeldes für Beamte zuwenden kann.
Keynes weiß von alledem nichts, schon deshalb nicht, weil sich hier für den Zusammenbruch des Euro schon deswegen keiner interessiert, weil schätzungsweise 95% der Umwohnenden außer dem Dollar höchstens noch die Währungen der Nachbarländer kennen. Professoren natürlich ausgenommen, Professoren kennen den Euro und seine Krise. Man kann, habe ich heute auf einem Mitteilungsblatt der juristischen Fakultät der hiesigen Universität aus der Feder eines Jura-Professors gelesen, am Zusammenbruch Griechenlands schön sehen, wie der Neoliberalismus die Völker ins Verderben führt. Na gut, der Mann ist Jurist, als zentralamerikanischer Jurist braucht man vielleicht nicht zu wissen, dass Griechenland seit langem von staatsgläubigen Sozialisten verschiedener Feinausrichtungen regiert wird. Aber in der Universität, wo Wandbemalungen noch immer den Stil eines kommunistischen Reiches imitieren, als ob die Führer dieses Reiches nicht schon vor über 20 Jahren selbst eingesehen hätten, dass der Kommunismus auf den Abfallhaufen der Geschichte gehört, da glaubt man derlei wahrscheinlich.

 Keynes interessiert sich dafür nicht, Keynes wollte spazieren gehen, wir auch. Also nahmen wir Leine und Hund und gingen auf die Strasse. Hund zieht fürchterlich an Leine, die Nachbarhunde hinter den Stahltüren machten einen mittleren Aufstand. Kennt man ja. Zum Glück gibt es hier auf der Strasse viele kleine Grünflächen und Bäume. Schöne Palmen, unbekannte Strassenbäume, Gummibäume. Der Mensch freut sich über den Schatten, der Hund hat was zum Schnuppern und was zum Pinkeln. Manche pflegen die Flächen vor ihrem Haus besonders gut, pflanzen Blumen an, wässern den Rasen, rechen regelmäßig das Laub zusammen. Genauer: Sie lassen das vom Personal machen, das Personal macht das nicht ungern, denn so kommt man mal auf die Strasse und sieht so interessante Sachen wie zwei Gringos, die mit einem schlecht erzogenen, mähnigem Hund spazieren gehen.

 Dass unser Keynes genau auf so einer gepflegten Fläche seinen Haufen machte, war uns dann doch peinlich. In Deutschland hätte es einen Aufstand gegeben, aber hier kümmerte sich keiner drum, obwohl wir beobachtet worden sind. Hier wird man nämlich immer beobachtet. Nicht nur von den schon erwähnten Hausangestellten, sondern vor allem von den Wächtern. Denn Einfamilienhäuser oder Reihenhäuser mit Vorgarten zur Strasse hin wie in Deutschland gibt es nicht. Die allermeisten wohnen in "Residencias", kleinen privaten Stichstraßen mit Reihenhäusern links und rechts. Zur Strasse hin ist die Stichstraßen durch ein Tor oder wenigstens eine Schranke abgetrennt, und vor jeden Tor steht ein Wächter und versucht einen ernsten und zur Abwehr entschlossenen Gesichtsausdruck zu machen. Die, die ein Gewehr um den Hals hängen haben, machen besonders viel Eindruck, während sie da ihren 12-Stundentag verbringen und sich zu Tode langweilen.

Weiter unten kommen wir auf eine belebtere Straße, hier haben manche Leute ein kleines Business aufgemacht. Was sie da machen, ist für den Fremdling oft schwer zu erkennen. Ein Schuster? Jemand, der alte Stühle aufarbeitet? Und was brutzeln die beiden Frauen da in einer Nische, vor der eine Menge Brennholz liegt? Warum heißt das kleine Straßencafé "Das Licht Israels"? Ein Kiosk ist leicht als solches zu erkennen, auch deswegen, weil ein Kiosk als Schutz vor Überfällen immer vergittert ist. Überhaupt muss das Herstellen und Instandhalten von Sicherheits-Türen, Gittern und Stacheldraht-Verhauen - auch hier ein gewisser optische Anklang ans untergegangene Ost-Berlin - ein lohnendes Business sein. Die viel befahrene Strasse geht recht steil bergauf, da muss man ordentlich Gas geben, worauf es aus dem Auspuff ordentlich qualmt. Die Abgaswolke, die hier trotz leichten Windes in der Luft hängt, würde bei uns zu einem mittleren Aufstand führen. Hier führt sie nur dazu, dass wir empfindsamen Europäer umkehren und mit unserem Haushund, der jetzt schon weniger Kraft hat, um an der Leine zu ziehen, wieder auf den Hügel und damit in die bessere Luft stiefeln.

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