Eisige Sache


(Geschichte für Dina's Blog:)
Die Sonne wird auf dem Eis funkeln, weiße Spitzen auf die grün-blauen Brocken zaubern. Aber es wird nicht die Sonne sein, die ihr kennt. Es wird nicht das Glitzern sein, das ihr kennt und es wird sich nicht der blaue Himmel darüber wölben, den ihr kennt.
Ein kaltes Licht wird die Sonne werfen, ein fahles Licht. Im Winter wird das Sonnenlicht kaum stärker scheinen als heute das Mondlicht. Auch im Sommer wird die Sonne nur ein Abglanz der Sonne sein, die ihr kennt.

Unten im Tal, wo jetzt die Äpfel reifen und die wohlschmeckenden Trauben gedeihen, werden sich nur noch Pflanzen halten können, die ihr jetzt auf den Höhen der Berge findet. Kleine, unscheinbare Blumen werden ihre Blüten zum Licht hin recken. Meist vergeblich. Denn oft wird das Licht nicht ausreichen, oft werden ungeheure Massen an dunklen Wolken über den Himmel ziehen. Immer neue Wolken, Tag um Tag, immer dichter, immer schwärzer.

Und wenn die Wolkenwände einmal vom Südwind hinweggeweht werden, wird euch der Anblick der fernen Bergketten über dem dick vereisten See nicht erfreuen können. Denn durch die klare Eis-Luft werdet ihr sehen, wie nah die Gletscher schon an euch herangerückt sein werden. Langsam, unerbittlich werden sie in die Täler hinab gleiten. Nachts wird euch das tiefgründige Rumpeln der Gletscher, das Krachen berstenden Eises aus dem Schlaf aufschrecken.

Eines Tages wird dieses Rumpeln und Krachen aufhören. Ihr werdet Hoffnung schöpfen, hoffen, Konstanz oder Radolfzell könnten überleben am Rande der Eismassen, so wie jetzt Longyearbyen am Rande der hunderte Meter dicken Gletscher Spitzbergens überlebt.
Doch lange wird sie nicht andauern, diese Pause. Denkt daran: Diese Pause wird eure letzte Chance sein, bevor das große Eis seine angestammten Gebiete zurückerobern wird. Wenn die letzte Frist vorbei sein wird, dann werden unendliche Schneemassen fallen und die Gletscher werden den ganzen Bodensee bedecken, alles zermalmen, was sich ihnen in den Weg stellt. Mir klingt schon jetzt in den Ohren, wie sie jubeln werden, wenn sie die Täler und Senken wieder besetzen werden, die sie einst in Fels und Gestein gepflügt haben. Wer ein Ohr dafür hat, der wird es hören können, wie das Eis jauchzen wird, wenn es endlich wieder alles unter sich bedecken kann.
Erst dann, wenn das Werk vollendet sein wird, wird die Sonne langsam wieder ihre alte Kraft gewinnen, der Himmel sein volles Blau. Und wenn es dann noch jemand geben sollte, der ein Flugzeug steuern kann, dann wird er über eine unendlich weiße im Sonnenlicht funkelnde Eisfläche fliegen.


Kommentare

  1. Lieber Martin,

    ein wundergrausiges Eisszenario, haben vielen Dank für diesen feinen Eisbonbon, sagen wir auf den Dinablog.
    Schönen Abend,

    herzliche Grüße, auch an Roswitha
    Hanne

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