Buchexport

Die Geschäfte laufen schlecht. Zwar haben sich meine Regale schon mächtig geleert ...


... aber an die 500 Bücher stehen immer noch zum Verkauf, manche schon seit 5 - 7 Jahren. Im Frühjahr verging kaum ein Tag ohne Bestellung, aber seit Pfingsten habe ich fast nichts mehr verkauft. Um so größer war meine Freude, als ein Bestellung eintraf: 4 Bücher auf einmal, lauter abgelegenen Titel, für die sich bislang niemand interessiert hat, zusammen für 15,70 EUR. 
Der Kunde will mit PayPal bezahlen und bittet um Übermittlung des Gesamtbetrages. Warum denn das, der steht doch auf der Bestellung?! Hoppla, die Bücher sollen nach Russland gehen, ins ehemals schöne Königsberg, das heute den Namen des Mannes trägt, der neben anderen Greueltaten das Massaker von Katyn angeordnet hat: Michail Iwanowitsch Kalinin.


Gut, dafür kann der arme Besteller nichts, auch nicht dafür, dass Russland nicht zu den Ländern gehört, in die man eine Büchersendung schicken könnte. Auch Hermes fährt nicht nach Russland, nur die Post bringt für schlappe 14,90 EUR Online-Sonderpreis ein Päckchen nach Königsberg.


Doch bevor ich dem Kunden den Rechnungsbetrag mitteilen kann, muss ich erst die Bücher suchen, die ich lange nicht mehr gesehen habe. Zwei sind schnell gefunden, der dritte nach einer Weile, das vierte taucht auch nach langem Herumwühlen in verstaubten Buchstapeln nicht auf. Also biete ich dem Kunden drei Bücher an, inclusive Porto für 22,00 EUR. Das ist günstig, denn ich habe Angst, dass er abspringt, wenn er hört, dass er 14,90 EUR für Porto zahlen soll.


Darauf höre ich 4 Tage lang nichts.


Dann kommt eine Mail, eine rätselhafte Sache. Meine Kunde will nicht 22, sondern 27 EUR zahlen, ich soll aber vorher eine Rechnung für ihn bezahlen; er hat bei einem Buchhändler in Hannover für 100 EUR Bücher bestellt und dieser Buchhändler akzeptiert kein PayPal. Überweisung aus Russland nicht möglich, also soll ich die 100 EUR überweisen, er werde mir dann 127 EUR per PayPal schicken.


Ich räume die Bücher wieder zurück. So ein blöder Betrüger, denke ich, die lassen sich auch immer was neues einfallen, diese russischen Gauner. "22,00 EUR per PayPal oder keine Geschäft!!" maile ich verärgert zurück.


Drei Tage später ist das Geld da. Hm, war wohl doch kein Trick-Betrüger. Ich packe also die drei Bücher in eine Kiste, lege noch zwei Broschüren kostenlos oben auf, die ihn vielleicht auch interessieren und die mir keiner abkauft, lege das Paket auf die Waage. 2,3 Kg, 300 Gramm zu viel.  Ohne die Broschüren immer noch 120 Gramm zu viel. Ich nehme einen anderen Karton, jetzt sind es noch 50 Gramm zu viel, gucke im Internet nach, was 2100 Gramm nach Russland kosten: 28,00 EUR mit DHL, billiger macht es keiner. Also wird das Paket so lange mit dem Messer kleiner gemacht, bis kein Gramm Karton zu viel ist. 1990 Gramm! Adressaufkleber drauf, Packband - so wenig wie möglich - 1996 Gramm.

Jetzt wird der Online-Paket-Schein ausgefüllt, kein Problem, aber bei Sendungen nach Russland muss auch noch eine Zollerklärung ausgefüllt werden, in Russisch, Französisch oder Englisch. Das ist nicht das Problem, denn das Wort "Bücher" ist einfach zu übersetzen, schwieriger schon die Frage, ob es Handelsgut ist oder ein Geschenk. Ich kreuze wahrheitsgemäß Handelsgut an, worauf sich ein Fenster öffnet, in dem ich noch weitere Angaben machen soll. Deshalb entscheide ich mich doch für Geschenk. Schließlich verdiene ich an der ganzen Aktion so gut wie nichts, netto vielleicht 3,00 EUR.

Zum Glück sagt die Postwaage das gleiche wie unsere Küchenwaage: 1996 Gramm. Ob das überhaupt ankommt, frage ich die Postfrau scherzhaft. Klar, meint sie, die haben doch sogar eine Postleitzahl.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Fußleisten-Entsorgung

Wolfgang Thomas