Postmoderne - hab mich gerne


Wie es aussieht, wenn sich deutsche Gründlichkeit, Datensicherheitswahn und Unfähigkeit vermählen, kann man leicht studieren, wenn man bei der deutschen Post einen E-Post-Brief schreiben will. Wenn jemand noch nie davon gehört hat, dann ist das kein Wunder. Niemand benutzt nämlich dieses Verfahren, außer ein paar Idioten wie ich. Als der Dienst neu war, vor über zwei Jahren, habe ich mich sofort angemeldet. Klang doch prima: Auch an Leute, die keine Email-Adresse haben, einfach vom Computer aus einen Brief schreiben.
Schon die Anmeldung war nicht gerade einfach. Mindestens so kompliziert, als ob man ein Online-Konto bei einer Bank einrichten will. Mindestens. Bei einer Email-Firma, die es so kompliziert macht, würde sich niemand anmelden. 

Bei E-Post offensichtlich auch nicht. Denn einen Brief auf diesem Wege habe ich bislang noch nicht bekommen. Firmen und Behörden lassen offensichtlich die Finger weg vom E-Post-Brief.

Warum? Gerade wollte ich einen Brief an den Mare-Verlag schreiben, um mein Abo zu kündigen. Anmeldung mit eigens eingerichteter Mail-Adresse und Passwort, das natürlich nicht frei wählbar ist wegen der hohen Sicherheitsstandards. Brief schreiben. Schon das Ausfüllen des Adresskopfes ist gewöhnungsbedürftig, weil man einer Firma nur schreiben kann, wenn man bei einer Option ein Häkchen macht, ein zweites Häkchen ist nötig, um ein Postfach eingeben zu können. Texteingabe ist einfach, wie der Brief später aber auf dem Papier aussehen wird, kann man nur erahnen. Absenden. Jetzt bekommt man eine TAN aufs Handy geschickt. Mein Handy war leider aus, ich habe es schnell angemacht, die TAN kam aber nicht. Darauf habe ich in der Hilfe nachgesehen. Das hätte ich besser nicht gemacht, denn erstens stand da nichts Hilfreiches und zweitens war, als ich die Hilfe geschlossen habe, mein Brief verschwunden. Aus Sicherheitsgründen wurde der Vorgang abgebrochen. Ach so. Also wieder von vorne. Sicher ist der Brief ja unter Entwürfe gespeichert.

Ist er auch. Das Dumme: Aus dem Ordner Entwürfe heraus kann man nicht senden. Muss ein Trick dabei sein. Steht wahrscheinlich in der Hilfe, aber aus der Hilfe komme ich ja nicht wieder zurück. Also versuche ich, den Text zu kopieren und in einen neuen Brief einzufügen. Kopierfunktion klappt nicht. Einfügen unmöglich. Ich schreibe also den ganzen Brief noch einmal und darf ihn nach vier Sicherheitsabfragen und Eingabe der TAN, die diesmal auch auf meinem Handy ankommt, tatsächlich abschicken.

Die 55 Cent werden von meinem Guthaben abgezogen. Natürlich, ich vergaß es zu erwähnen, funktioniert das Ganze nur mit Prepaid und natürlich kostet der Briefversand auf diesem Wege genausoviel wie immer. Warum sollte man für seine Mühe auch belohnt werden?

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Fußleisten-Entsorgung

Wolfgang Thomas