Aufguss, biologisch

Man kommt ja nicht mehr viel heraus in die Welt mit zunehmendem Alter, ich jedenfalls. Am Sonntag aber doch, da sind wir nach Düsseldorf gefahren, ein Ort, den wir normalerweise nur aufsuchen, wenn wir zum Flughafen wollen. Diesmal wollten wir zu einer Fotoausstellung. Wer sich die Bilder ansehen will, kann hier klicken, dann spart er 5,90 Eur Eintritt, die Parkgebühren und eine vom individuellen Wohnort abhängige Menge Benzin. Das einzige, was der Nur-Klicker nicht sieht, ist, dass die Bilder alle riesengroß sind und dass sich viele Leute diese riesengroße Bilder ansehen.

Mit den Bildern waren wir schnell fertig. Vielleicht fehlte uns der Kunstsinn, auf jeden Fall fehlte uns ein iPhone, denn ohne iPhone geht der Düsseldorfer Kunstinteressierte nicht in eine Ausstellung, das wussten wir nicht. Mit unserem Normal-Handy konnte man die Informationen zu den Bildern nicht abrufen. Pech gehabt. Und wer will schon mit dem kiloschweren Katalog in der Hand von Foto zu Foto laufen? Wir nicht. Außerdem war der Kauf des Kataloges nicht im Tagesbudget inbegriffen. Im Gegensatz zu einem Besuch in einem Café.

Nach ausführlicher Suche nach einem geeigneten Ort, die sich nicht einfach gestaltete, denn bei der Kälte waren alle Cafés voll besetzt, landeten wir in einem seltsamen Ding, in dem es schön warm warm, so eine Art Bio-McCafé. Biomäßig war hauptsächlich die Dekoration, sozusagen das Look and Feel. Aber das reichte uns völlig, vor allem war es warm und eine Toilette gab es auch. Ich hätte gerne einen Kakao getrunken, der war mir aber mit 3,90 Eur ohne Sahne zu teuer. Nicht mal irgendein besonderer venezuelischer Tiefland-Kakao, biologisch von glücklichen Arbeitern geerntet, anschließend CO2-neutral mit dem Segelboot nach Europa gebracht, von Fahrrad-Kurieren zugestellt. Dafür zahlt man ja gerne, vor allem, wenn es draußen so kalt ist und die armen Fahrradkuriere frieren müssen, nur damit wir Müßiggänger einen heißen Kakao trinken können.

Weil der Kakao also zu teuer und der Kaffee vermutlich zu stark war, entschied ich mich für einen Bio-Aufguss. Genau das, nämlich Bio-Aufguss stand ohne weitere Erläuterung auf der Speisekarte. Nein, eine Speisekarte gibt es in einem Bio-McCafé natürlich nicht, sondern eine große Tafel über der Kasse, wo man das Zeugs bestellen, bezahlen und dann an seinen Tisch tragen muss, halt wie bei allen McDonalds dieser Welt. Das Verfahren hatte den Vorteil, dass ich erst einmal fragen konnte, was ein Bio-Aufguss denn nun sei. Die junge Dame verstand meine Frage nicht, sondern fing sofort an runterzurasseln, zwischen welchen Arten von Aufgüssen ich mich entscheiden könnte. Ich entschied mich für Pfefferminz und erhielt ein Glas mit erhitztem Leitungswasser und einen Teebeutel, auf dem sich Pfefferminze befand, auf dem aber nichts von Bio stand. Andererseits war es schon ein besonderer Teebeutel, nämlich ein Pyramiden-Teebeutel. Heißt wirklich so, wer es nicht glaubt, soll es googeln. War schön heiß, der Aufguss, und ich habe mal wieder was für's Leben gelernt. Was kann man von einem Café-Besuch mehr verlangen?


Kommentare

  1. Aus einem viktorianischen Hotel a la Charles Dickens vorm Himmelbett sitzend habe ich mich köstlich amüsiert - übrigens Genever trinkend, natürlich alten.
    Die närrische Dreiheit Hanne, Doris und Kb grüßen den Rentner - Prost, Cheers und Skaal

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