In Semuc Champey, Guatemala



Ein Maya-Mädchen setzt sich in einem abgelegenen Ort im Hochland, den trotz der schlechten Zufahrt über 11 km schlechten Schotterweg, 12 km sehr schlechter Matsch&Löcher-Piste und einer abenteuerlichen Brücke über den Fluss nicht wenige Touristen besuchen, um mitten im grünen Regenwald in den eigentümlichen Kalklöchern von Semuc Chempey zu baden, ein Maya-Mädchen also setzt sich neben mich und schaut mich an. Prima Foto-Motiv, die Kalklöcher sind eine tolle Attraktion, wer will, kann sich anhand des Videos einen Eindruck verschaffen:

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=fWi_qJKtnHs?rel=0]

Was weder Bild noch Video zeigen: Das Mädchen hängt den ganzen Tag an diesem Touri-Treff herum um zu betteln. Einen Quetzal will sie, also etwa 10 Cent. Den ganzen Tag betteln kann sie, weil sie nicht zur Schule geht.
Natürlich existiert eine Schulpflicht in Guatemala, sechs Jahre sind verbindlich für alle.  Alles streng geregelt, alles nur auf dem Papier, denn Kontrollen oder Strafen gibt es nicht, vor allem nicht in den abgelegenen Maya-Siedlungen irgendwo in den Bergen. So werden tatsächlich nur gut 70% der Kinder eingeschult, bei den Indigenas noch viel weniger. Die Abschlussquote beträgt im ländlichen Raum 35%. Zur Mittelschule (7. - 9. Schuljahr) wechseln in ganz Guatemala nur etwas mehr als 20 %.
Verantwortungslose Eltern?
Sicherlich. Bedenken muss man aber folgendes:
1. Eine Indigena hat in Guatemala im Schnitt (!) 5 Kinder, das erste oftmals mit 16 Jahren. Kindergeld, Sozialhilfe oder irgendeine Unterstützung gibt es nicht, dafür jede Menge Arbeit. Leider allerdings keine Arbeit, für die man Geld bekäme. Ein wenig Mais wird angebaut, Holz aus dem Wald geholt, mit der Hand im Bach gewaschen, auf offenem Feuer im Freien gekocht. Schule kostet Geld, kein Schulgeld, aber die Schuluniform muss beschafft werden, es gibt eine Einschreibgebühr, Bücher, Hefte, Fahrgeld ...
2. Fahrgeld? Wie kommen die Kinder zur Schule? Selbstverständlich kommt sie kein Schulbus holen. Manche Orte werden von einem "Colectivo" angefahren, einem privaten Kleinbus, oder von einem geländegängigen Pick-Up, bei dem man dann stehend auf der Ladefläche fährt, was natürlich für jede Fahrt Geld kostet. Schüler aus den ganz abgelegenen Siedlungen müssen zu Fuß gehen. Morgens um 6 Uhr los, in Mittelamerika ist es dann auch im Hochsommer noch dunkel, dann eine bis zwei Stunden durch den Regenwald, nachmittags wieder zurück. Wer so einen Weg einmal gegangen ist, als Wanderer mit gutem Schuhwerk und bei gutem Wetter, der weiß, warum so viele nicht zur Schule gehen.
3.  Maya-Kinder haben in der Schule ein Problem: Sie verstehen nichts oder nur wenig, weil in den Dörfern kein oder kaum Spanisch gesprochen wir, sondern irgendeine der zahlreichen Maya-Sprachen.  Weil sie dem Unterricht nicht folgen können, geben viele nach kurzer Zeit wieder auf.

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