Nachbars Bulle

Um es direkt zuzugeben: Vor Bullen habe ich Angst. Dummerweise laufen hier Bullen herum. Pepe hat einen, der meist auf der Wiese steht, manchmal aber auch mitten auf dem Fahrweg. Und Amador, der Nachbar, hat auch einen. Der ist nachts im Stall, aber tagsüber, wenn der Stall ausgemistet wird, dann müssen alle Kühe raus zum Saufen. Das Dumme ist: Der Weg zur Wasserstelle führt direkt an unserem Haus vorbei. 
Und so trotten zweimal täglich 15 Kühe und ein Bulle quasi durch unseren Vorgarten. Damit die ganze Herde schnurstracks zur Wasserstelle und nicht etwa in die falsche Richtung läuft, ist es hilfreich, wenn sich jemand mitten auf den Weg stellt und die Kühe, die bergrunter ins Dorf statt bergrauf zur Wasserstelle gehen wollen, die richtige Richtung zeigt. Und dieser jemand, meint Amador, wenn ich in der Nähe bin, dieser jemand könnte doch ich sein.
Nun habe ich im Laufe der Zeit schon gelernt, dass Kühe zwar dick und doof sind, sich aber durch ein laut gerufenes "Veng!" und eventuell einen Schlag mit dem Stöckchen umleiten lassen. Aber der Bulle, der immer so finster dreinschaut und neben dem die massigste Kuh irgendwie zierlich aussieht? Ja, ja, Bullen können gefährlich sein, aber sein Bulle sei völlig harmlos und brav, versichert Amador. Aber sowas sagen alle Hundebesitzer und wahrscheinlich alle Bullenbesitzer auch. Wie mag es aussehen, wenn der Bulle auf mich zukommt und "nur mal spielen" will? Zum Glück bewegt sich Amadors Bulle nicht wie ein Kampfstier in der Arena, sondern wie ein Elefant mit Athrose in Hüft- und Kniegelenken. Bisher ist er jedemal, wenn ich da mit meinem Stöckchen auf dem Weg gestandenhabe, von sich aus in die richtige Richtung getrottet, ohne Notiz von mir zu nehmen. Er konnte mich aber auch nicht sehen, weil ich mich immer ein bisschen hinter dem großen Schlehenbusch verstecke.

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