Der gar nicht so heilige Martin von Horrem

Der Heilige Martin von Tours hat, so erzählt es die Legende, einem am Wege sitzenden frierenden Bettler die Hälfte seines Mantels abgegeben. In Tours, davon konnte ich mich selbst überzeugen, kann es kalt sein. Als ich vor zwei Jahren im Februar dort gewesen bin, lag Schnee. nur ein Zentimeter, aber dazu pfiff ein kalter Wind. In Horrem lag gestern früh kein Schnee, aber immerhin war der Garten mir etwas Reif bedeckt. Und als ich mit zwei Säcken das Haus verließ, war der Reif noch nicht getaut. Einer der beiden Säcke war blau, groß und schwer. Bei dem anderen handelte es sich lediglich um eine Einkaufstüte vom Mantelhaus Goertz. Beide Säcke gefüllt mit Altkleidern, z. T. Sachen, die unsere Haushaltshilfe zurückgelassen hatte. In den blauen Sack hatte ich kurz entschlossen noch meine Nike-Winterjacke gestopft. Normalerweise landen meine Sachen nicht so schnell im Container, aber diese Jacke, die ich selbst noch zu DM-Zeiten im Second-Hand-Laden gekauft und in den letzten beiden Jahren allenfalls drei Mal angezogen hatte, hatte mich am Vortag genervt, weil der Reissverschluss nur noch mit sehr viel Gefühl zu schließen war. Und wer hat schon Geduld und Gefühl, wenn es draußen kalt ist? Diese Jacke, das stellte sich nach wenigen Metern heraus, war im falschen Sack, denn der blaue war zu schwer, die Einkaufstüte zu leicht. Also habe ich sie umgepackt. Das hat ein junger Mann beobachtet, der an der Ecke zur Hauptstraße stand. Als ich an ihm vorüber ging, sprach er mich in einem seltsamen englisch-deutschen Kauderwelsch an und nach einer Weile begriff ich, dass er meine beiden Säcke haben wollte. Prima dachte ich, brauche ich die Sachen nicht noch 250 Meter weiter zu schleppen. Es stellte sich heraus, dass der junge Mann ein Rumäne war und dass es ihm kalt war. Letzteres habe ich zugegebenermaßen aber erst im Nachherein begriffen, denn er wollte es mir damit klar machen, dass er mir mehrmals die Zeitung zeigte, die er vorne in seine Jacke hereingestopft hatte. Stolz auf meine ebenso gute wie mich entlastende Tat schritt ich nach Hause.
Mit der Frauenkleidung konnte der junge Mann offenbar nichts anfangen. Wenig später standen die Säcke vor dem überfüllten Altkleidercontainer im Regen.

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