Ein Abend in der Hängematte





Los Cobanos Village Lodge ist eine Oase der Ruhe, Ordnung, Sauberkeit (jedesmal mit einem "relativ" davor, d.h. vergleichen mit der Umgebung). Eine kleine Insel. Etwa 800m2 hat das Grundstück, davon 350m2 Parkplatz, ringsum, zum Glück, eine 2,50m hohe weißgestrichene Mauer, über die Mauer läuft gerade eine Eidechse.
Ich liege in der Hängematte neben dem bei Dunkelheit, also ab 18:30 Uhr, beleuchteten Pool unter dem Dach der breiten Palmen, höre den Pazifik rauschen, ab und zu auch ein Auto hupen, Latino-Musik von den Buden am Strand, schreiende Kinder und frage mich, ob es irgendwann mal kühler wird. Vom Pazifik her ist frische Luft nicht zu erwarten, der hat nämlich gut 30 Grad Wassertemperatur - geschätzt, Thermometer gibt es hier nicht.
Der Muchacho vom Hotel in T-Shirt und knallroten Bermudas hat die Stühle rund um den Pool schon zusammengestellt und ausgerichtet, die Pflanzen gewässert, den Sand fein säuberlich (aber nicht wirklich bis in die letzten Ecken) gerecht wie in einem Zen-Garten. Jetzt stellt er die Deckenventilatoren und das Licht vor dem Office aus. Sonst ist vom Staff des Hotels keiner zu sehen. Es gibt ja auch nur 8 Zimmer und wir sind die einzigen Gäste. Heute war hier Hochbetrieb, Ostersonntag, der Höhepunkt der Saison. Morgen, meinte der Muchacho, wird niemand am Strand sein außer den Fischern. die warenauch heute da, lagen auf oder neben ihren Fischernetzen auf dem Betonboden und schliefen fest inmitten von all dem Trubel. Vom Alkohol, vor Erschöpfung, oder beides?
20:00 Uhr, stockdunkel, der lokale Nachrichtensender berichtet vom Rückreisechaos, Grillen zirpen, ich esse Cashew-Nüsse, die wir am Strand einem der zahllosen fliegenden Händler abgekauft haben. Ein einfaches Business: 5 große Frischhaltebeutel mit verschiedenen Sorten Nüssen, eine kleine Balkenwaage und einen Haufen kleiner Frischhaltebeutel im Rucksack, ein Bündel Geldscheine in der Hosentasche und dann rumgehen und Leute anquatschen.
Jetzt kommt die Frau vom Muchacho, räumt im Office etwas auf und schließt alles ab. Im Fernseher schreit eine Frau herzzerreißend, der Muchacho schaut zu. In der Werbepause steht er auf und verriegelt das Tor, das die Lodge vom Strand trennt. Der über zwei Meter hohe Wall versperrt den Leuten im EG die Sicht auf den Pazifik, aber erstens wohnen wir im OG und zweitens wäre ohne diese Mauer die Oase keine Oase. Dann wären die Massen heute auch hier hereingeströmt, wäre der Eisverkäufer, der seine Ware mangels Kühltasche in einem mit viel Zeitungspapier ausgestopften und mit Tesa-Band stabilisierten Pappkarton herumträgt, am Pool vorbeigekommen und die Frau, die in einer großen Plastikschüssel alle möglichen Drogerie-Waren auf dem Kopf balancierte, hätte den Kram auch uns angeboten. Sicherlich hätte auch eine Frau einen kleinen Tisch vor den Zimmern im EG aufgebaut und eine Art Fruchtsorbet aus Eissplittern und Fruchtsalat in Styropor-Schälchen angeboten, eine zweite Frau hätte aus ein paar Steinen und einem Rost einen Grill gebaut, mit Holz ein ordentlich qualmendes Feuer gemacht und Hähnchenschenkel, Fische, Maiskolben, Süßkartoffeln, Tortillas oder was auch immer gegrillt, was zusammen mit eingelegten Sauergemüse aus einem 10-Liter Plastik-Gefäß eine ordentliche Mahlzeit abgibt, serviert natürlich auch in Styropor-Schälchen, die mitsamt der Papierserviette und dem Plastikbecher auf der Terrasse vor Zimmer 2 und 3 gelandet wären oder sogar im Pool, denn für tausende von Menschen gibt es so gut wie keine Papierkörbe, weswegen alles mit Platikmüll übersäht ist. Eine Menge davon schaukelt auch in dem kleinen See, dermitten im Ort direkt hinter dem Strand liegt. Na, vielleicht kommt morgen die Strandreinigungskolonne, oder die Flut.
Einige Menschen wären auch in unsere Banos gegangen und unter die Hotel-Dusche, denn dergleichen ist am Strand auch rar. Woraus sich ein Geschäft machen lässt. Drei Kabinen habe ich gesehen, etwa 1,30 Meter hoch - das reicht für Maya-Frauen, damit nur der Kopf rausguckt, wenn sie sich duschen. Die Kabinen stehen sozusagen mitten in einem Strandrestaurant, das Duschwasser versickeret im Sand. Wahrscheinlich - ich konnte wie gesagt nur die Köpfe sehen - duschen die Menschen mit der Kleidung, denn man ist sehr genant hier. Man zieht sich nicht um, sondern geht in normaler Kleidung ins Wasser: Bermudashorts und Bluse, die Unterwäsche bleibt an. Auch viele Männer ziehen im Wasser ihr T-Shirt nicht aus. Das kann nicht daran liegen, dass die Leute sich keine Badekleidung leisten können, denn manche Frauen tragen einen Badeanzug und darüber trotzdem noch Bermudas und plantschen damit im Wasser rum. Die Kleidung trocknet ja schnell bei der Hitze.

Nein, Mauer, Tore und Wächter müssen sein, damit unsere Oase eine Oase bleibt und ich ruhig in meiner Hängematte rumschaukeln kann. Der Muchacho macht den Fernseher aus, dann die Swimmingpool-Beleuchtung, dann die Strahler, die die Palmen anleuchten. Wir sollen wohl ins Bett gehen.
In dem Häuschen, in dem das Wächter-Paar lebt, rattert eine Nähmaschine. Das Häuschen ist eigentlich eher eine Hütte und steht strategisch günstig auf dem Parkplatz direkt neben dem Eingangstor.
Ein Krebs läuft durch den Sand und unter meiner Hängematte durch, von ferne Musik, irgendwo jauchzen noch ein paar Party-Macher. 
Jetzt kommt noch ein Krebs, ein kleiner, der große Krebs  läuft wieder zurück. Ein fetter Frosch lugt hinter einem Stein hervor, dann hüpft er los und begegnet dem Krebs, problemlos kriechen bzw. hüpfen sie aneinander vorbei. Hundegebell, die Grillen zirpen, der Pazifik rauscht und rauscht, es wird kein bisschen kühler.

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