Do ut des oder: Wenn du mir nichts gibst, kriegst du auch nichts.

   Do ut des - ich gebe, damit du gibst. Alter römischer Rechtsgrundsatz, überdies auch ein Kernsatz der römischen Religion: Ich opfere der Göttin oder dem Gott XY etwas, damit diese sich erkenntlich erzeigen. Ein Handel, der umso näher liegt, als dass er einem allgegenwärtigen kapitalistischen Prinzip entspricht. Diesem Handeln mit der Götterwelt hat das (jesuanische) Christentum übrigens ein Ende gesetzt. Sola Gratia. Aber ach, der Gedanke, man könne doch etwas heraushandeln, war wohl zu tief verankert oder zu verführerisch: Jeder, der eine Kerze am Antonius-Altar anzündet, damit der Heilige Antonius ihm hilft, einen verlorenen Gegenstand wieder zu finden, gibt etwas, damit ihm etwas gegeben wird: do ut des.


Bei der Bloggerei und in den sozialen Medien zündet niemand eine Kerze an, wenn er etwas haben will. Was man als Akteur in den sozialen Medien haben will, ist Aufmerksamkeit. Und was man dafür gibt, sind Herzchen und Kommentare, wer vielen folgt, dem folgen auch viele. Ein Handel unter gleichen, bei dem das Prinzip der Gegenseitigkeit gilt. Dagegen ist nichts zu sagen.


Das Dumme aber: Die ganze Unterhaltungsindustrie - und was sind Plattformen wie Instagram oder auch Wordpress anderes als ein Teil der Unterhaltungsindustrie - leidet unter der Übersättigung der Konsumenten und ist längst in einer Phase der Selbstkannibalisierung. Niemand kann das gewohnte Fernsehprogramm verfolgen, außerdem Netflix&Co und dann noch auf „X“ und Tic Toc aktiv sein. Und da haben wir das Radio noch nicht einmal eingeschaltet, waren nicht im Kino und haben Zeitungen und Zeitschriften am Kiosk liegen gelassen. Die Zeit, die der Konsument für dergleichen hat, ist begrenzt, die Lust auch. Also geht es für all die Anbieter nur darum, mit immer neuen Anreizen den Marktanteilkuchen ein wenig anders zu verteilen.


Und das gilt für den Blogger ebenso. Ganz praktisch: Film sehen, Buch lesen, Computerspiel oder Wordpress? Wordpress? Und schon sind wir mitten im Kampf um ein kleines Stückchen vom Aufmerksamkeitskuchen. Als jemand, der einen Beitrag schreibt oder ein Foto postet, muss ich versuchen, Leser zu generieren. Eine Lösung: Do ut des - wer viele Herzchen verteilt, wird viel geherzt. Nur: Angesichts der eben skizzierten Konkurrenzsituation hat (oder nimmt sich) niemand Zeit, all die Beiträge all der Mitblogger, denen er folgt, auch tatsächlich zu lesen. Hier und da was überfliegen muss reichen. Die Folge: Eine Scheinaufmerksamkeit, ein Aufschwung in der Statistik, dem kein Aufschwung an Kommunikation entspricht.


Am Ende hat man dann doch mehr davon, wenn man mit zwei oder drei Freunden eine Tasse Kaffee trinkt und sich dabei unterhält.

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