Links-grünes Bilderbuch-Idyll


(Für Amazon:)
So muss es gewesen sein: Die Moors hatten in ihrer Kindheit ein Bilderbuch von einem Bauernhof mit vielen netten Tieren und einem idyllischen Bauerndorf mit Dorfladen und Dorfkneipe und vielen, vielen netten Leuten. Seitdem wollen die beiden in so einem Dorf wohnen. Und da sie an Nostalgie im fortgeschrittenen Stadium leiden - eine Krankheit, die in ihrem Umfeld so weit verbreitet ist, dass sie sie nicht mehr als solche wahrnehmen - machen sie sich auf, das Bilderbuchidyll zu suchen.

Moors Schweizer Heimat kommt nicht in Frage. Von seinen Landsleuten mit ihrem Ordnungssinn und ihrer Höflichkeit hat er die Nase voll. Also suchen die beiden in Brandenburg, was gleichzeitig den Vorteil hat, dass die lästige Hin- und Herjetterei zwischen der Schweiz und Berlin entfällt. Die beiden sind schließlich beim Fernsehen, da muss man nahe bei Berlin wohnen. Sonja Moor findet ein Bauernhöfchen mit einem klitzekleinen Stückchen Land in einem Dorf, das sie für intakt hält, weil es einen Dorfladen und eine Dorfkneipe gibt. Sie kauft "aus dem Bauch heraus". Rationalisten werden nun einwenden, bevor man Haus und land kauft, sollte man die Umgebung abfahren, die Infrastruktur erkunden, Erkundigungen über bodenqualität, Jahresniederschlag, Drainage etc. einholen, aber Sonja kauft eben aus dem Bauch heraus und dass das eine gute Methode ist, ist in linksökologischen Kreisen ein Dogma.

Sie verkaufen also ihren Besitz in der unerträglichen Schweiz und springen ins kalte Wasser, das so kalt auch wieder nicht ist, denn das ökonische Risiko besteht - sagen wir mal - darin, dass sie einkommensmäßig auf das 2 - 3fache eines Durchschnittsverdieners zurückfallen und einen ihrer beiden Geländewagen verkaufen müssen, vorübergehend, versteht sich.

Intaktes dörfliches Idyll ausgerechnet in der Ex-DDR zu suchen, obwohl doch das DDR-Regime unter Berufung auf den Fortschritt nichts unversucht gelassen hat, das traditionelle Landleben zu zerstören, das ist schon recht gewagt. Aber zum Glück fehlten der DDR die ökonomischen Ressourcen und so ist ab und zu tatsächlich noch was stehen geblieben. Tatsächlich ist es mit dem Dorfidyll in der neuen Heimat der Moors nicht weit her und man kann es ihnen hoch anrechnen, dass sie nicht sofort wieder abgehauen sind. Aber zurück in die Schweiz, wo zwischen den fürchterlichen Bergen die fürchterlichen Schweizer wohnen, wollen sie auch nicht. Deshalb sagen sie sich: Hier ist kein Bilderbuch-Bauernhof in einem Bilderbuch-Dorf. Macht nichts, dann bauen wir es eben. Nostalgie ist eine mächtige Krankheit. Ein Mini-Hobby-Höfchen mit Katze und Hund, Ente und Esel, Pferd und Schaf - dass das nur Kosten verursacht und nichts einbringt, läßt sich mit dem GEZ-Fernseh-Gehalt im Rücken verschmerzen.

Die Dorfbewohner erweisen sich als unhöflich, ja sie sind von einer dem Insider wohlbekannten ungehobelten Schroffheit, eine Art, die Moor für ehrlich und geradeheraus hält. Super, endlich sind nicht alle so höflich wie in der Schweiz. Nur beim Traktorkauf verläßt er sich auf ein schweizer Qualitätsprodukt, ein altes Ding, schön nostalgisch, klar. Zur Heuernte kommen dann die Fernsehkollegen aus Berlin als Hilfe, tolles Erlebnis, mal so richtig zu schwitzen ohne Fitness-Studio. Und dann abends Festessen mit Wildschweinbraten! Ein Landwirt mit modernem Gerät hätte die gleiche Fläche an einem halben Tag geerntet, alleine, abends Wurstbrote gegessen und dann die Kühe versorgt, aber so wie bei Moors macht es eindeutig mehr Spaß. Dass der ökonomische Ertrag gleich Null gewesen sein dürft - was soll's, wir sind ja schließlich bei Fernsehleuten und nicht im Lande der Betriebswirtschaft.

Unangenehme Zeitgenossen gibt es dann doch im Landidyll. Nicht etwa die alten Stasi-Spitzel und Parteigrößen - davon ist nie die Rede - sondern, ganz links-grün korrekt: Ein Banker, ein FDP-Anhänger, vier "Glatzen". Mit letzteren redet man natürlich nicht, als sie aus dem Nachbardorf angefahren kommen, um auf dem Dorffest ein Bier zu trinken, diese ekligen Typen, die natürlich Pickel haben, werden von vier starken Männern unter Androhung von Gewalt rausgeworfen. Dieter Moor bedauert es bei dieser Aktion, dass er es beim Fernsehen nicht gelernt hat, sich so richtig zu prügeln, seine Frau spielt mit dem Gedanken, die Typen totzuschlagen. Ein schlechtes Gewissen haben wegen dieser Gedanken beide nicht. Warum auch? Es geht schließlich gegen "rechts" und im Bilderbuchdorf gab es auch weder Rechte noch Kommunisten, sondern lauter nette Leute ...

Nun gut, das Buch lässt sich gut lesen und trotz einer heftigen Erkältung habe ich drei Mal laut gelacht - das ist doch etwas!

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